Seit neun Jahren ist ein iPhone mein treuer Begleiter. Ich habe die meisten Modelle durchprobiert: zu den meisten von ihnen entwickelte ich so etwas wie eine funktionierende Beziehung. Damit ließe es sich ganz gut leben, wenn da nicht auch die vielen hysterischen Apps wären, die beziehungstechnisch eher eine Herausforderung sind. Immer wieder ließen sie eine Hoffnung in mir aufkeimen, nur durch sie glücklicher werden zu können. Meist war dieses Glücksgefühl jedoch nur ein leeres Versprechen und so mutierten mit der Zeit etliche Apps zu digitalen Zombies, die auf meinem Smartphone herumgeistern, ohne dass ich das eigentlich so gewollt hätte. Diese digitalen Überbleibsel einer missglückten Suche nach einem besseren Leben stören. Sie sind da und auch wieder nicht, sie sind Schatten der Vergangenheit, die mich verfolgen und die ich gerne los wäre. Denn obwohl ich sie kaum benutze, beanspruchen sie Aufmerksamkeit von mir, denn ihre bunten Icons leuchten mich immer wieder verheißungsvoll an, wollen mich auf Abwege locken, mich vom Eigentlichen ablenken, mir meine Konzentration stehlen. Deshalb beschloss ich, mein iPhone zu entrümpeln. Nach und nach werde ich Apps löschen, so lange bis nur noch das Allernotwendigste zurück ist. Wie weit werde ich kommen? Wird sich mein schickes Smartphone durch diese Aktion am Ende in ein ödes Dumbphone verwandeln?
Am 7. September auf einem Flug von Kopenhagen nach Berlin war es soweit: die erste App musste dran glauben. Jetzt, am Tag danach, weiß ich nicht einmal mehr, was ich dort oben, grenzenlos frei über trüben Regenwolken, ins digitale Jenseits befördert habe. Ich erinnere mich nur noch daran, dass es eine leichte Entscheidung gewesen war. Lebenswichtig kann diese App demnach also nicht gerade gewesen sein.
Am 8. September traf es die Gelbe Seiten-App. Irgendwann einmal hatte ich im Safari-Browser nach einer Textilreinigung im Flensburger Umland gegoogelt und war so auf den durchaus nützlichen Gelben Seiten gelandet, wo prompt deren App feilgeboten wurde, umsonst natürlich. Die App wollte mich gern orten dürfen, wie mein iPhone beim Start der App sofort verriet: “Darf ‘Gelbe Seiten’ auf deinen Standort zugreifen, selbst wenn du die App nicht benutzt?” – was ich natürlich ablehnte. Allein schon wegen der auf seriös gesiezten Begründung “Nur so können wir Ihnen die gewünschten lokalen Informationen und Anbieter anzeigen”, die mir direkt neben dem allgegenwärtigen Apple-Du verdächtig vorkam. Und wieso bitte nur so? Warum nicht nur beim Verwenden der App? Und wer wünscht sich hier eigentlich Informationen? Das ständige Orten ihrer Benutzer, um ihnen entsprechende Konsummitteilungen zu schicken, scheint also die wesentliche Funktion (und der versteckte Preis) dieser App zu sein. Ich will aber nicht mehr, sondern weniger. Vor allem weniger Apps und weniger Ablenkung. Und was soll ich außerdem mit einer App, an deren Informationen ich auch über meinen Browser komme? Also weg damit!