Die faszinierende Welt des Internets

Die faszinierende Welt des InternetsIn Berlin verklappt die Primacom den üblichen deutschen Medienmüll über ein solides Kupferkabel in meinem alten Analogfernseher. Um davon selber nicht völlig zugedröhnt zu werden, befindet sich die alte Glotze nur bei akutem Geistesversagen meinerseits im Flimmermodus. Meist ist sie aus.

Die Primacom scheint zu ahnen, wer sich hinter so einem alt-analogen Anschluss ohne hinzugebuchte Digitalitäten verbergen muss: ein rostiger Rentner nämlich, der mit SAT1 & RTL intellektuell prima ausgelastet ist. Wie also kriegt man als Kabelanbieter einem derartig ignoranten Zeitgenossen mehr Geld aus der Tasche gelockt? Primacoms Antwort offenbar: indem man ihn an die “Welt des Internets” anschließt.

Also flatterte mir ein klassischer Holz-Brief von der recht umtriebigen Primacom ins Haus. Offenbar meinen sie genauestens zu wissen, wie ihre analoge Kundschaft tickt, denn für neumodischen Kram halten sie sich zu alt, und so eröffnet der Brief gleich mit der mutmaßlichen Abwehrfrage eines jeden analogen Rentners in Deutschland (sowie der Kanzlerin): Warum soll ich noch ins Internet? Und es folgen fünf unschlagbare Gegenfragen:

“Würden Sie gern für Ihre Kinder, Enkel und Freunde jederzeit erreichbar sein?” – Nein, liebe Primacom! Denn ich habe weder Kinder noch Enkel und von meinen Freunden weiß ich, dass sie sich gedulden können.

“Würden Sie gern für Behördengänge, Einkäufe oder Bankgeschäfte nicht extra in die Stadt fahren, keine Treppen steigen und Ihre Zeit für schönere Dinge nutzen?” – Nun liegt meine Berliner Behausung ziemlich zentral in der Stadt, weshalb sich das Fahren in dieselbe erübrigt. Gewiss, die Wohnung liegt im 4. Stock eines Altbaus und einen Aufzug gibt es nicht. Aber ich möchte nicht auf das Treppensteigen verzichten! Ich rätsele darüber, was die Primacom wohl unter schöneren Dingen versteht. Bewegung und unterwegs zu sein gehören offenbar nicht dazu. Nein, ich kann mir sicherheitshalber nicht vorstellen, meine Zeit für die schöneren Dinge der Primacom zu nutzen.

“Würden Sie gern in Ruhe zu Hause Ihre Reisen planen und von den Erfahrungen anderer profitieren?” – Nein, mir ist es recht egal, wo ich meine Reisen plane. Und warum sollte ich mich mit Reisen abmühen, wo mir doch soeben unterstellt wurde, dass mir Stadt & Treppensteigen ein Gräuel sind?

“Würden Sie gern auf jede Menge Gleichgesinnte treffen, wann immer Sie es wollen?” – Gleichgesinnte gleich in Scharen? Auf keinen Fall!

“Würden Sie gern sich selber weiterbilden, fordern und geistig fit bleiben bis ins hohe Alter?” – Ob ich es würde? Konjunktiv? Nein, beste Primacom, das ist für mich kein unerfüllter Wunschtraum sondern alltäglich gelebte Wirklichkeit.

Schließlich folgt die Auswertung der ausgeklügelten Testfragen: “Wenn Sie auf eine dieser Fragen mit JA geantwortet haben, dann ist primacom dafür genau der richtige Partner für Sie.” Wofür? Egal für was, es betrifft mich zum Glück ohnehin nicht bei meinem fünfmaligen Nein. Die Primacom ist demnach offenbar nicht der richtige Partner für mich.

Und das ist wohl auch gut so, denn ich bin bereits durch einen Konkurrenten der Primacom irgendwie mit dem Berliner Internet verlötet – wie oft bei derartigen Anschlüssen an die Welt des Internets in Deutschland kriechen die Daten voller Vorsicht und Behäbigkeit durch die Leitung zu mir, ein eigenartiges Retro-Feeling mit dem Flair meines ersten Anschlusses in Kopenhagen, Ende der Neunziger. Aber in Deutschland ist das Internet schließlich Neuland. So auch die Kundenkommunikation der Primacom. Denn ich bin weder Rentner noch fühle ich mich dermaßen hilflos, dass ich die Primacom als Begleiter beim Einstieg “in die faszinierende Welt des Internets” möchte.

Der er lukket for kommentarer.

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