Ein Sonntag in einer dänischen Provinzstadt. Tønder in diesem Fall, nahe der Grenze zu Deutschland. Kein Mensch, kein Leben. Wie ausgestorben der Ort. Und dennoch wird man das Gefühl nicht los, dass man als Fremder argwöhnisch beobachtet wird. Von irgendwo im Verborgenen. In Dänemark stehen Fremde immer unter Beobachtung, haben stets das Gefühl zu haben, sie hätten etwas nicht ganz richtig gemacht. Das gilt nicht zuletzt auch für Hybride wie mich. Eine kleinstädtische Idylle stelle ich mir zumindest anders vor als die Stimmung, die mir dieser Anblick des Verfalls und der Leere vermittelt. Solche Käffer gibt es auch zuhauf in den neuen Bundesländern, die allerdings ungleich schlechtere Entwicklungsbedingungen hatten als Orte im kapitalistischen Dänemark. Aber nicht nur der trostlose Anblick kleiner Städte haben die DDR und Dänemark gemein, sondern auch den eigenen Anspruch moralischer Überlegenheit, eben trotzdem — oder vielleicht gerade deshalb — das Beste aller denkbaren Gesellschaftsmodelle verwirklicht zu haben. So sehen wir also diese bessere Gesellschaft an einem strahlenden Frühlingssonntag und verstehen sogleich, dass strenge Schutzwälle vonnöten sind, um diese Idylle vor Übergriffen moralisch Unterlegener zu behüten.