Die Angst vor dem Internet ist groß in Deutschland. Immer wieder treibt sie sowohl Medien als auch Politiker zum Ausmalen neuer Horrorszenarien, die von geklauten Kreditkartendaten bis zur komplett gekaperten Identität eines armseligen Netzopfers reichen und darüber hinaus sämtliche Variationen kommerzieller Profilerstellung und Durchleuchtung der unschuldigen Nutzer umfassen. Vielbemüht in diesem Zusammenhang ist die so genannte Privatsphäre, die durch das wild wuchernde Web bedroht sei. Gern wird das Netz dabei als unheilschwangere gesetzlose Parallelwelt abgetan, als Tummelplatz für Ganoven finsterster Schattierungen.
Und immer wieder herhalten müssen dabei die üblichen Verdächtigen: Google, Facebook, neuerdings auch Apple. Interessanterweise zählen zu den Verdächtigen kaum jemals deutsche Firmen, die als zu spät Gekommene allen Grund hätten, vor Neid im Chor der Klagenden mit einzustimmen. Und so muss auch Verbraucherschutzengel Aigner keine besonderen Rücksichten nehmen in ihrer Kritik, die gern umso lauter ist, je weiter von Bayern entfernt ein von ihr angeprangertes Unternehmen seinen Sitz hat. Silicon Valley als die Achse des Bösen sozusagen.
An diesem Abend wurden wir wieder einmal Zeugen des Cyber-Bashing, diesmal in der Sendung Monitor der sonst so bedächtigen ARD. Die Unterstellung war dabei die übliche, dass nämlich Google, Facebook & Co. die heilige Privatsphäre des schutzlosen Bundesbürgers verramschten und ihnen dabei kein Trick zu fies ist, wenn es um ihr böses Endziel geht, die totale Kontrolle über das Tun und Lassen deutscher Bürger zu erlangen. Untermalt wurde das Ganze mit schimmernden iPads als allgegenwärtigen Vorboten des drohenden Unheils und wildgepflückten Zitaten, so von Google-Verwaltungsrat Eric Schmidt: “Ich glaube, die meisten Leute wollen, dass Google ihnen sagt, was sie als nächstes tun sollen.” Man sollte sich in diesem Zusammenhang wirklich die Frage stellen, ob die Welt wirklich so viel schlechter werden würde, wenn Google und nicht deutsche Boulevardmedien den Leuten sagen würden, was sie als nächstes tun sollen.
Das eigentliche Problem scheint mir jedoch nicht der unterstellte Kontrollgewinn der mutmaßlichen Schurken aus dem fernen kalifornischen Tal zu sein, sondern der Kontrollverlust deutscher Politiker und Meinungsmacher. Insbesondere viele Politiker scheinen der Netzwelt fremdelnd gegenüber zu stehen, scheinen zu befürchten, dass es sich hierbei um eine unkontrollierte Parallelwelt handele, in der die Prinzipien der als real eingestuften Welt untergraben werden. Eine Welt also, die sich der Politik entzieht und die deshalb als potenzielle Bedrohung für die klassische repräsentative Demokratie des braven Kreuzchenmachens und Stillschweigens empfunden wird. Die Sorge um die Privatsphäre der Reisenden in dieser Schattenwelt soll letztlich wahrscheinlich nur als Vorwand dafür gelten, das Netz mit abstrusen gesetzlichen Regelungen politisch in den Griff zu bekommen, es also maßregeln zu wollen. Ganz anders ist es um den politischen Schutz der Privatsphäre bestellt, wenn es um staatliche Einmischung und Kontrolle geht, man denke hier nur an ELENA oder Vorratsdatenspeicherung.
Gefahren lauern nicht im Netz an sich, sondern dort, wo sich Regierungen anmaßen, es unter dem Vorwand des Schutzes der Privatsphäre ihrer Bürger unter ihre Kontrolle bringen zu wollen.