Was für ein Land, in dem ein Buch mit faschistoidem Gedankengut monatelang ganz weit oben in der Bestsellerliste steht. Wer kauft bloß dieses Gezeter eines alten Mannes?
Was für ein Land, in dem sogar öffentlich-rechtliche Medien über eine demokratisch gewählte, am linken Rand des politischen Spektrums stehende Partei zetern mit allen Anzeichen hysterischer Dämonisierung.
Was für ein Land, in dem die Hysterie der Wutbürger, die dann doch wohl eher Angstbürger sind, für Zeichen gesunden Demokratieverständnisses und gesellschaftlicher Emanzipation gehalten werden.
Was für ein Land, in dem zum Demokratieverständnis gehört, dass ein angeblicher Freiherr aus Bayern einen akademischen Titel durch Plagiat erwerben kann, wegen seiner angeblich guten Arbeit im Amt bleiben darf, und dieses Delikt von weiten Teilen der Bevölkerung ihm überdies hoch angerechnet wird, denn von einem Politiker könne man schließlich keine weiße Weste erwarten.
Was für ein Land, in dem man von einer einfachen Kassiererin im Supermarkt allerdings ohne Wenn und Aber jederzeit eine weiße Weste verlangt, und der man für das Einlösen eines Leergutbons über 1,30 Euro die Existenzgrundlage entzieht, denn so ein Vergehen sei schließlich laut Gerichtsurteil ein prinzipieller Vertrauensbruch.
Was für ein Land, in dem man informationstechnologischem Potenzial prinzipiell nicht traut und dieses vornehmlich als Bedrohung empfindet, und in dem der Wutbürger, angestachelt von seiner tumben Boulevardpresse, das böse Internet, wo es ja nichts außer Sex, Gewalt und Verbrechen gebe, am liebsten behördlich maßregeln und paranoid verpixeln ließe.
Was für ein Land, in dem Bürger, nur weil sie ehrlich sein wollen, von einer krankhaft misstrauischen Bürokratie unter Generalverdacht gestellt werden, denn wer vorgibt, ehrlich sein zu wollen, bei dem steckt ganz gewiss eine üble Absicht dahinter.
Was für ein Land also, in dem faschistoides Gezeter, ängstliche Hysterie, Freipässe für schwindlerische Freiherren, Verurteilungen von Bagatellvergehen, paranoides behördliches Maßregeln sowie Misstrauen an der Tagesordnung sind. Ob so ein Land jemals ein Bestseller wird?
Was für ein Glück wenigstens, dass ich dieses Land nicht meins nennen muss, und dass meine Entscheidung vor 25 Jahren, meine deutsche Staatsbürgerschaft kaum gebraucht abgeben zu wollen, auch heute noch wohlbegründet scheint. Es muss sich schon noch sehr anstrengen, dieses Land, bevor es bei mir zu einem Bestseller wird.
Die Kundin in der Buchhandlung übrigens interessierte sich nicht für idiotische Abschaffungsliteratur, sondern für Karen Duve, Thilo Bode, Richard David Precht und ähnlichen Repräsentanten der Vernunft. Das lässt hoffen!