Berlin liebt Mauern! Deshalb ist Berlin voller Mauern. Die richtige Mauer ist ja inzwischen größtenteils zerkloppt, obwohl mancher sie vielleicht – und nicht nur als Deko – gern wieder heile hätte.
Das Tröstliche dabei ist, das es etliche andere gibt. Da wären zunächst einmal sogenannte Brandmauern, fensterlose Giebelmauern, die wuchtig und vollkommen öde daherkommen. Vielleicht ist wuchtig und öde ja auch ein besonders deutscher Charakterzug, der hier seinen baulichen Ausdruck gefunden hat. Gern nutzt man solche Mauern als Aussicht. Die typische Berliner Hofaussicht hat als Leitmotiv die depressive Brandmauer – wuchtig und öde!
Im Bötzowviertel allerdings ist eine kleine Revolution passiert: Aus einer wuchtig-öden Mauer wurde eine grüne Weide mit hübschen Blumen, auf der jetzt senkrecht Kühe grasen. Alles strahlt bunte Leichtigkeit aus. Darf eine ernst gemeinte Mauer so aussehen? Der Berliner an sich wäre da wohl eher skeptisch, mir aber gefällt diese Weide.
Ein weiterer Typus sind Hofmauern. Diese kommen von der Gesinnung her der richtigen Mauer noch am nächsten: Auch sie sollen uns eingrenzen und die anderen ausgrenzen. So sind die ohnehin schon klaustrophobischen Freiräume zwischen den ehemaligen Mietskasernen, heutigen Eigentumsbastionen, durch unüberwindliche Mauern fein säuberlich seziert, sodass in jedem eingemauerten Geviert gerade mal Platz bleibt für ein paar Mülltonnen, einen Fahrradständer und eine winzige, zu nichts zu gebrauchende Rasen- oder Asphaltfläche. Das Schlimmste, was so einer Mauer passieren könnte, wäre von einem zu groß gewordenen Baum um ihre Existenz durch Einsturz bedroht zu werden. Da die Berliner aber ihre Mauern lieben, fällen sie dann den Baum, meist ohne umständliche Genehmigung. Sieht ja keiner, was sich in einem Hinterhof zwischen den hohen Mauern alles so zuträgt. Nun stelle man sich aber mal vor, man würde nicht die Bäume, sondern die Mauern entfernen, die bislang unbrauchbaren Asphalt- und Rasenflächen zusammenlegen und in Gärten umgestalten. Welch toller Nutzwert würde da für die Bewohner entstehen können. Und so etwas geht tatsächlich, ich habe es mit eigenen Augen in Kopenhagen gesehen! In Berlin geht Besitz aber vor Nutzen. Ein Grundstück gehört entweder eingezäunt oder eingemauert, damit es keiner wegnehmen kann. Alles andere sind idealistische Hirngespinste und bunte Kühe.